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Rezension: "Dry" - Neal Shusterman, Jarrod Shusterman

Von Neal Shusterman hatte ich in der zweiten Jahreshälfte 2018 die "Vollendet"-Reihe begonnen und war (für eine Jugendbuchreihe) ziemlich angetan. Um so mehr habe ich mich gefreut, als ich gesehen habe, dass der Sauerländer Verlag mir über Netgalley.de das Leseexemplar des "Endzeit-Thrillers" "Dry" zur Verfügung gestellt hat. Diesen, seinen neuen Roman hat der amerikanische Autor Shusterman mit seinem Sohn Jarrod zusammengeschrieben. Eine möglicherweise lohnenswerte Zusammenarbeit dachte ich und habe sofort zu Lesen begonnen.

 

Das Cover und der Klappentext kündigen eine Wassernot an, die die Zivilisation zum Zusammenbrechen bringt und in der Menschen um den letzten Tropfen Wasser und um das nackte Überleben kämpfen. Tatsächlich also ein Szenario, dass wir uns im Angesicht des Klimawandels, in Zeiten von schmelzenden Gletschern, austrocknenden Flüssen und Seen sowie Waldbränden auch in Mitteleuropa lebhaft vorstellen können und das es um jeden Preis aufzuhalten gilt.

 

Die Handlung des Romans ist nun in Amerika angesiedelt, genauer in Kalifornien, das ja tatsächlich immer wieder und insbesondere in den Jahren 2011-2017 mit einer anhaltenden Dürre zu kämpfen hat bzw. hatte. Als sich die Dürre nun in den angrenzenden Bundesstaaten ausbreitet, drehen diese Kalifornien kurzerhand das Wasser ab. Das Wasser, das nun selbst benötigt wird, wird gestaut, die Flüsse und künstlichen Wasserläufe in Kalifornien versiegen und eines Tages kommt im Haus von Alyssas Familie kein Tropfen mehr aus der Leitung.

Statt sofort zu reagieren und den Ernst der Lage zu begreifen reagiert Alyssas Familie sehr spät. Onkel Basil fährt mit Alyssa und ihrem jüngeren Bruder Garrett zum nahegelegenen Supermarkt, wo bereits der überfüllte Parkplatz andeutet, dass eine außergewöhnliche Situation eingetreten ist. Während Basil also draußen nach einem Parkplatz sucht, werden die beiden Jugendlichen in den Supermarkt geschickt. Der letzte klapprige Eikaufswagen, der sich kaum schieben lässt, steht schon symbolisch für die Kette an Fallstricken, Missgeschicken und Unwägbarkeiten, die in der Folge eine Rolle spielen werden. Garrett verschwindet zwischen den Regalen und Alyssa versucht noch etwas Wasser zu ergattern. Tatsächlich gelingt es - zumindest kurz - etwas Trinkbares zu erreichen, das ihr dann aber sofort von der Mutter einer Mitschülerin entwendet wird. Schon hier habe ich mich gefragt, warum zwei Jugendliche den Ernst der Lage scheinbar nicht begreifen und nicht durchsetzungsstärker sind.

Der Dreiertrupp kehrt schließlich mit einer ganzen Wagenladung Eiswürfel zurück, die in der heimischen Badewanne gelagert werden soll. Einzig Onkel Basil, der die Familie kurz darauf verlässt, um bei seiner Freundin unterzukommen, scheint die Lage zu überblicken.
Ein Lichtblick ist der Nachbarsjunge Kelton, dessen Familie für jede Art von Ausnahmezustand vorgesorgt hat. Das Haus ist bis unters Dach gesichert und beherbergt alles, was benötigt wird, um wochenlang autark zu sein. Zusätzlich hat die Familie einen Schutzbunker in den Bergen, in den sie sich im Notfall zurückziehen können und der ebenfalls gesichert und mit allem Notwendigen ausgestattet ist. Selbstverständlich möchte Keltons Vater weder, dass sein Sohn den Nachbarn etwas von den Vorräten oder dem Wasser abgibt (schließlich hatte jeder die Möglichkeit vorzusorgen), noch möchte er überhaupt, dass sein Sohn sich mit den Nachbarn abgibt.
Es kommt nun relativ bald zu typischen Hollywood-Katastrophenfilmszenen. Die ersten Haushalte haben nicht mal mehr eine Wasserflasche als Reserve, Bürgerwehren bilden sich, die die Wasserreste rationieren sollen, das Militär taucht auf, ohne das bekannt wird, welchen Auftrag es hat, an den notfallmäßig installierten (viel zu klein dimensionierten) Wasserentsalzungsanlagen an der Küste kommt es zu Tumulten, Menschen sterben im Gedränge, die Eltern von Alyssa und Garrett begeben sich auf die Suche nach Wasser und verschwinden und es werden Notlager eingerichtet, in die Menschen zwangsevakuiert werden. Ganz typisch für ein solches Setting sind Alyssa und Garrett so unfassbar naiv und tollpatschig, dass es beim Lesen weh tut. Wer könnte so unvorsichtig sein, beim Putzen der Toilette die geöffnete Flasche mit dem Reinigungsmittel ausgerechnet auf den Rand der Badewanne mit dem letzten (!) kostbaren Trinkwasser zu stellen? Ebenso vorhersehbar ist, dass die Flasche tatsächlich in der Wanne landet.

Als die Eltern nicht zurückkehren, versuchen Alyssa und Garrett zur Küste zu fahren, um ihre Eltern zu finden. Kelton begleitet die beiden. Als die Situation immer aussichtsloser wird, die Drei von einer Bande überfallen werden, sich die Gruppe dadurch um ein weiteres Mädchen erweitert und schließlich Bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, beschließen die Jugendlichen zu dem Schutzbunker von Keltons Familie zu fahren. Auf dieser halsbrecherischen Fahrt kommt es (auch typisch) immer wieder zu brenzligen Szenen, ein weiterer Junge stößt zur Gruppe dazu und es geht bis zum Ende (natürlich ein Happyend) schief, was schief gehen kann.

 

Jugendbücher lese ist tendenziell eher selten, Jugendbücher von amerikanischen Autoren noch viel seltener und dieses hier zeigt mir wieder einmal ganz deutlich, woran das liegt. Es verging kaum ein Kapitel, bei dem ich nicht die Augen verdrehen musste, weil sich die Jugendlichen trotz absoluter Ausnahmesituation kein bisschen vernünftig verhalten - sie streiten, zicken, tun Dinge im Alleingang und gefährden die ganze Gruppe und denken nicht einmal nach, bevor sie etwas tun.

Klar, all das ist im Sinne des Katastrophenszenarios à la Hollywood notwendig für die Dramatik, ich hätte mir für dieses Thema jedoch einen etwas anderen Schwerpunkt gewünscht. Der Fokus des Buches liegt ausschließlich auf der halsbrecherischen Flucht/Reise Richtung Schutzbunker. Dabei bleibt jedoch jede Form von Tiefgang und die Auseinandersetzung mit den wichtigen Themen Wasserknappheit und Wassernot auf der Strecke.

 

Für mich leider eine herbe Enttäuschung, was nicht heißt, dass nicht Fans solcher klischeehaften Szenarien ihre Freude beim Lesen haben werden.

 

Neal Shusterman, Jarrod Shusterman

"Dry"

Sauerländer Verlag, ISBN 978-3-7373-5638-1, 15€

 

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