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Rezension: "Der Sommer mit Ellen" - Agnete Friis

Rezension Agnete Friis Der Sommer mit Ellen

Es ist kein einfaches Buch, das als bester dänischer Roman 2018 nominiert war. Agnete Friis ist bislang bekannt für ihre Nina-Borg-Krimis, die sie gemeinsam mit Lene Kaaberbol schrieb. Nun stand sie mit einem völlig anderen Roman auf der Shortlist des DR Romanpreises. Ein Buch, dass schon mit seinem Cover Bezug auf den Inhalt nimmt, denn die scheinbare Idylle, die sich beim Gedanken an einen Sommer auf dem Land, in der dänischen Provinz einstellt, bricht ziemlich schnell. Zum Vorschein kommt eine triste, traurige, brutale Wirklichkeit, die nur schwer erträglich ist.

Es geht um den Sommer 1978, den Sommer mit Ellen, den Jakob auf dem Hof seiner beiden Großonkel Anton und Anders in Ostjütland verbringt, weil er sich zuhause mit einem dem Alkohol verfallenen Vater und einer beinahe unsichtbaren Mutter nicht wohl fühlt. Jakob ist damals 15, interessiert sich auf einmal für Frauen und verliebt sich in die deutlich ältere Ellen, die vor ihrem Freund aus einer nahegelegenen Kommune flieht und auf dem Hof Zuflucht findet. Gleichzeitig ist es der Sommer, in dem Lise, die Schwester von Jakobs Freund Sten plötzlich verschwindet. Danach schwelen Verdächtigungen und Anschuldigungen bei allem im Untergrund mit. Der Sommer endet mit einem tragischen Vorfall und ein Mantel des Schweigens legt sich über die Szene, Erinnerungen verschwimmen und werden überlagert.

Vierzig Jahre später erhält Jakob den Anruf seines Onkels Anton, den er seit damals nicht gesehen hat, und der ihn nun bittet nach Ellen zu suchen, die damals ebenfalls von der Bildfläche verschwand.

Auf zwei Zeitebenen erzählt Agnete Friis diese bedrückende Geschichte, die sich für mich vorallem durch die Eintönigkeit und Derbheit der Szenen auszeichnet. Es riecht nach Stall, Raupen sind im Kohl und an vielen Stellen schwingt ein Alkohol Schleier mit. Besonders an dem Roman sind auch die Leerstelle, anstelle von weiblichen Charakteren. Jakobs Mutter verlässt die Familie und kommt sonst in der Geschichte nicht vor. Von seiner Frau Kirsten ist er getrennt und sie kommt im Roman nur in Form von unbeantworteten Anrufen vor. Lise ist verschwunden. Nur Ellen, um die sich alles dreht spielt eine Rolle, allerdings bleibt auch sie unnahbar, seltsam entrückt und ist schließlich ja auch abwesend. Gleichzeitig sind die männlichen Charaktere geprägt durch ihre Derbheit, ihre aktive und passive Aggressivität, ihre auf unterschiedliche Weise gestörte Sexualität und ihre Unfähigkeit zur Kommunikation.

Es ist kein einfaches oder schnell zu lesendes Buch, aber eins, das ich dennoch mochte und das für mich zu recht auf der Liste für den Romanpreis gelandet ist.

 

Agnete Friis

"Der Sommer mit Ellen"

aus dem Dänischen von Thorsten Alms

Eichborn Verlag

Hardcover: ISBN 978-3-8479-0048-1, 22€

 

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