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Rezension: "Das Eidechsenkind" - Vincenzo Todisco

Es ist schon einige Tage her, dass ich abends nur in diesen Roman hineinblättern wollte und es mich dann aber von der ersten Seite an völlig gefesselt und in seinen Bann gezogen hat, so dass ich bis spät in die Nacht lesen musste.

Die Eltern kommen in den 1960er Jahren aus Italien in das Gastland. Hier wollen sie arbeiten, um sich ein besseres Leben in der Heimat ermöglichen zu können. Das Kind bleibt zunächst bei seiner Nonna. Als die Sehnsucht der Mutter zu groß wird holt sie das Kind illegal in das Gastland. Es lebt fortan in der Wohnung, beinah unsichtbar, denn alle Geräusche wurden ihm verboten, zu groß die Gefahr entdeckt und bestraft zu werden. Aus einem Jahr werden viele und das Kind verschmilzt immer mehr mit seiner Umgebung. Seinen Eltern wird das Kind erst lästig, dann vergessen sie mehr und mehr, dass es da ist. Schließlich nimmt das Kind auch Bereiche des Hauses außerhalb der elterlichen Wohnung in Beschlag und bewegt sich hier fast unbemerkt. Nur ein kleines Mädchen, eine alte Dame und zuletzt ein Professor im Ruhestand nehmen das Kind war und begleiten es ein Stück auf seinem Weg. Erst ein Unglück zwingt die Mutter schließlich zur Aufgabe der Isolation des Kindes.

Abgrenzung, Ausgrenzung und Isolation in all seinen Facetten sind zentrale Themen des Romans, die auch durch die klare, schnörkellose Sprache und die punktgenauen Beschreibungen getragen werden. Das Fehlen der Namen von Mutter, Vater und Kind sowie die Tatsache, dass der Ort der Handlung unbekannt bleibt, transportieren die Kälte der zwischenmenschlichen Beziehungen zum Leser - eine Kälte, die auch nach dem Ende der Lektüre nicht ganz verfliegen will.

Ein erschütternder Roman dessen Thematik mehr denn je auch auf unsere heutige Zeit übertragbar ist.

 

Vincenzo Todisco

Das Eidechsenkind

Edition Blau - Belletristik im Rotpunktverlag, 978-3-85869-783-7, 24€

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