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Rezension: "Die Lüge" - Mattias Edvardsson

Coverliebe, aber inhaltlich nicht überzeugend

 

Vor einigen Wochen hat mich der neue Roman von Mattias Edvarsson zur Chemotherapie begleitet. Es war in erster Linie die Coverliebe, die mich zu dem Roman hat greifen lassen. Düster, mysteriös und ein bisschen unheimlich, so hatte ich die Geschichte erwartet.
Leider sind meine Erwartungen nicht erfüllt worden. Vielmehr entwickelt sich auf den etwas über 500 Seiten eine gesichtslose Geschichte, die nicht nachhallt.

 

In Lund (Schweden) lebt die dreiköpfige Familie bestehend aus Adam, Ulrike und Stella. Adam ist Pfarrer, Ulrike arbeitet als Rechtsanwältin und Stella geht noch zur Schule. Die drei verbringen, anlässlich des 19. Geburtstags von Stella, einen Abend zusammen in einem Restaurant. Stella verlässt das Restaurant früher als ihre Eltern, sie will noch zu ihrer besten Freundin Amina gehen. Erst spät in der Nacht kommt sie nach Hause und wird am nächsten Tag von der Polizei als dringend tatverdächtig in einem brutalen Mordfall festgenommen.

Chronologisch wird nun die Geschichte erzählt von dem Restaurantabend bis zu Stellas Gerichtsverhandlung. Dabei ist der Roman in drei Abschnitte gegliedert. Der erste Teil wird erzählt aus Adams Sicht, der zweite aus Stellas und der dritte aus Ulrikes. So soll sich die Geschichte nach und nach wie ein Puzzle zusammensetzen. So verspricht es zumindest der Klappentext.

 

Zwar habe ich die Geschichte bis zum Ende verfolgt - ich habe bis zum Schluss auf eine Überraschung gewartet - aber Spannung hat sich nicht aufgebaut und auch ein Puzzle, das sich zusammensetzt konnte ich nicht erkennen.
Adam, der Pfarrer, präsentiert sich als neugieriger, besessener, Kontrollfreak, dem der äußere Schein über alles geht. Er mag es nicht, wenn seine Tochter ihn anlügt, akzeptiert es aber ohne mit der Wimper zu zucken. Aus Reflex gibt er seiner Tochter ein falsches Alibi für die Tatnacht - die erste Lüge des Buches.

Erfüllt von dem Eindruck, dass die Polizei einseitig ermittelt, macht Adam sich auf eigene Faust auf die Suche nach entlasstenden Beweisen. Er drückt sich am Tatort herum, bedrängt Amina, sucht unter Vorspielung falscher Tatsachen die Exfreundin des Toten auf - alles in dem Wissen, dass es vor Gericht nicht verwertbar ist und er seiner Tochter vielleicht durch die Alleingänge schadet.


Stella, die im Gefängnis sitzt, ist eine richtig verwöhntes Mädchen, darüber hinaus ist sie aber auch rebellisch ihren Eltern, insbesondere ihrem Vater, dem Kontrollfreak, gegenüber und leidet unter einer Verhaltensstörung, die sie zu Gewaltausbrüchen neigen lässt. Sie hütet ein Geheimnis und will damit ihre beste Freundin Amina schützen. Dem Anwalt, einem Freund ihrer Mutter, misstraut sie und auch der Psychologin kann sie sich nicht öffnen. In Rückblenden erzählt Stella von Amina, ihrem Verhältnis mit Chris Olsen, dem Toten, und von den Begegnungen mit Linda, der Exfreundin von Chris.
Der Wendepunkt der Geschichte liegt in dem Moment, in dem sich Stella von Chris getrennt hat, nun aber Amina die Fühler nach Chris ausstreckt und es erst zur Katastrophe und dann zu einer Ansammlung von Lügen kommt.

 

Der letzte Abschnitt des Buches, der den Indizienprozess umfasst, ist schließlich aus Ulrikes Sicht geschrieben. Sie als Anwältin hat eine recht abgeklärte Sicht auf die Dinge. Nicht nur hatte sie ein Verhältnis mit dem Anwalt, den sie für ihre Tochter angeheuert hat, sondern sie forciert auch einen Umzug nach Oslo im laufenden Verfahren, da sie sich in Lund nicht mehr wohl fühlt. Wie Adam hat auch Ulrike Einfluss genommen auf den Lauf der Ermittlungen und ist die einzige, die in diesem Spiel ahnen kann, wie der Ausgang sein wird.

 

Etliche Kritikpunkte stauten sich in mir beim Lesen an. Zunächst hätte der Roman dringend einer Straffung bedurft. Die über 500 Seiten sind durch die Geschichte eigentlich nicht zu rechtfertigen, die auch auf weniger Seiten hätte erzählt werden können. Dazu kommt, dass der Ausgang der langatmigen Erzählung in seinen groben Zügen vorhersehbar und wenig überraschend ist. Darüber hinaus machen es die klischeehaften, gesichtslosen, unemotionalen und dazu leicht unsympathischen Figuren dem Leser nicht leicht am Ball zu bleiben. Bei mir war es insbesondere Adam, den ich gerne immer wieder beiseite genommen hätte, um ihn nach dem Zustand seines Verstandes zu befragen.

 

Alles in allem halte ich "Die Lüge" für spannendes Lesefutter, das sich zügig runter lesen lässt, das aber auch keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Und wenn es Romane aus Skandinavien sein sollen, so gibt es derzeit genug wirklich spannende Alternativen auf dem Markt, zu denen ich raten würde. Da wären zum Beispiel "Das Schweigemädchen" von Elisabeth Norebäck oder "Löwenzahnkind" von Linda Bengtsdotter, die wirklich spannend erzählt und gut zu lesen sind.

 

Mattias Edvarsson

"Die Lüge"

Limes-Verlag, ISBN 978-3-8090-2705-8, 15€

 

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