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Lektüre im Januar 2020

Mein Lesemuskel und ich waren ganz schön in Form im Januar. Sage und schreibe elf Bücher habe ich in diesem Monat gelesen und mich mit sieben von ihnen in einem Themenkomplex um Frauen, Unterdrückung und Religion festgelesen.

 

Begonnen hat der Monat aber ganz anders. Aus dem Dezember waren noch einige Seiten in Sy Montgomerys Buch "Rendezvous mit einem Oktopus" übrig, die ich sehr genossen habe. Das Buch ist nicht nur informatives Sachbuch über Oktopoden, sondern berichtet auch in Form des Erfahrungsberichtes von der emotionalen Intelligenz dieser faszinierenden Tiere. Mich hat das Buch sehr berührt, auch wenn es an einigen Stellen seine Längen hatte.

 

Von den Oktopoden ging es für mich zu "Die Kakerlake" und mit Ian McEwans jüngstem Roman in die Welt des Brexit. Es war mein erstes Buch des Autors und es hat mir auf Anhieb sehr gefallen. Ich war sehr gespannt, was McEwan mit dem Rückgriff auf Franz Kafkas "Verwandlung" anstellt, und wurde nicht enttäuscht. Sicher ist nicht jedes Detail des Romans völlig schlüssig, aber das muss es für mich auch nicht sein, wenn der Autor auf den Wahnsinn des Brexit hinweist und versucht mit einer Novelle als Satire diese verrückte Situation in Worte zu fassen.

 

Weiter ging es für mich mit "Am Strand" von Ian McEwan, immerhin wollte ich wissen, ob die eingefleischten McEwan-Fans recht hatten mit ihrer Kritik an "Die Kakerlake", die ja, glaubt man den negativen Stimmen, kein wirklicher McEwan ist. Sprache und Stil haben mich auch bei diesem Buch sehr angesprochen. War "Die Kakerlake" durchaus amüsant, so ist "Am Strand" durch und durch beklemmend. Die Geschichte ist unfassbar dramatisch und während des Lesens habe ich mich ständig gefragt, ob die geschilderte Sprachlosigkeit zwischen den jungen Eheleuten im Jahr 1962 wirklich überwunden ist und ob nicht auch im Jahr 2020 noch viel zu viel Sprachlosigkeit herrscht und nicht viel zu oft Nichtstun als der leichtere Weg eingeschlagen wird, weil das sich öffnen und über seine Gefühle reden verletzlich macht und schwerer zu ertragen scheint als das stumpfe erdulden.

 

So kam ich dann dazu Margarete Stokowskis "Untenrum frei" zu lesen, dass schon einige Monate in meinem Regal ungelesener Bücher stand. Gekonnt verbindet die Autorin in diesem Buch Fakten und Hintergründe zum Thema Feminismus mit eigenen Erfahrungen und macht so ein Thema, das alle Menschen gleichermaßen angeht, greifbar und verständlich. Sie erklärt, wie durch Rollenbilder und Wortwahl Scham und Schamgefühl, aber auch Machtverhältnisse immer noch manifestiert werden und wir deshalb noch längst nicht so frei und aufgeklärt sind, wie wir uns einreden.

 

Als nächstes Buch hat sich Vladimir Sorokins "Schneesturm" als aktuelle Lektüre für den Online-Lesekreis in meinen Stapel geschlichen. Leider bin ich im Text immer wieder stecken geblieben und durch meine Unkenntnis, was russische Klassiker betrifft, konnte ich nicht alle Bezüge verstehen. So erschloss sich mir nicht alles und auch das Ende wusste ich nicht zu deuten. Mit etwas mehr Hintergrundwissen wäre dieser Roman aber sicher eine tiefgründige und lohnenswerte Lektüre.


Ebenso ließ mich "Orangen sind nicht die einzige Frucht" von Jeanette Winterson enttäuscht zurück. Erwartet hatte ich einen Roman, tatsächlich würde aber der Begriff Autobiografie besser zu dem Text passen, der 1985 erschien. Es ist ein Text aus einer anderen Zeit und man merkt ihm deutlich die Unreife der Autorin an. Die Ereignisse und Erfahrungen reihen sich aneinander ohne dass eine Reflektion darüber stattfinden würde. Auch bei diesem Buch lässt mich das Ende ratlos zurück. Eine Leseempfehlung kann ich nicht aussprechen.

 

Ganz anders der autobiografische Roman "Unorthodox" von Deborah Feldman, der mich völlig hat abtauchen lassen in die unbekannte, geheimnisvolle, unverständliche, befremdliche und unbarmherzige Welt der chassidischen Satmar Gemeinde, einer ultraorthodoxen jüdischen Sekte in Williamsburg (NY). Wer das Buch noch nicht kennt, dem empfehle ich es ganz dringend!

 

Dann erreichte mich als Leseexemplar des Bloggerportals der neue Thriller "Die Wälder" von Melanie Raabe, von der ich ja bisher alle Bücher gelesen und einen Teil ("Die Wahrheit" und "Der Schatten") auch hier vorgestellt habe. Restlos überzeugt hat mich der Thriller, der so vielversprechend begann dann leider nicht.

 

"Kein Teil der Welt" von Stefanie de Velasco war meine nächste Lektüre. Ein Roman im Umfeld der Zeugen Jehovas passte perfekt zu den vorherigen Büchern, in denen Frauen jeweils mit klugem Verstand und etwas Glück, den Ausstieg aus toxischen Umgebungen geschafft haben. Es hat etwas gedauert, bis ich mich mit der Geschichte angefreundet hatte, die in zwei Strängen erzählt wird, aber dann war ich gefesselt und so kam das Ende dann doch ziemlich plötzlich. Gewünscht hätte ich mir an dieser Stelle noch etwas mehr über Esther nach ihrem Ausstieg aus der Sekte zu erfahren. Unzweifelhaft erzählt die Autorin aus ihrer eigenen Erfahrung heraus, so dass etliches sehr erschreckend, aber wohl doch wahr ist.

 

Lange schon in meinem Regal stand der Erfahrungsbericht der Niederländerin Miek Pot "In der Stille hörst du dich selbst. Meine 12 Jahre in einem Schweigekloster". Ich dachte nun würde sich die Lektüre einer Frau, die sich ganz bewusst und aus freien Stücken in eine strenge Glaubensgemeinschaft begeben hat, gut anschließen. Leider hielt das Buch nicht, was der Titel versprach. Nur bis etwa zur Hälfte des Buches berichtet die Autorin von ihrer Zeit in einem Kloster, das den Regeln der Kartäuser folgt. Sehr schnell und ohne viele Details handelt sie einzelne Aspekte des Klosterlebens ab. Ich hätte mir gewünscht sehr viel mehr über die Stille im Kloster und diese besondere Atmosphäre zu lesen. Im zweiten Teil beschäftigt sich die Autorin dann im Wesentlichen mit der inneren Stille und wie sie sie für sich erreicht hat und auch immer wieder findet. Leider wiederholen sich dabei Formulierungen wie ein Mantra, ohne das die Leserin eingeführt wird in die Theorien, die sich dahinter verbergen. So mutet der zweite Teil des Buches eher wie ein Ratgeber an, ohne wirkliche Anleitungen für die eigene Umsetzung zu geben. Das hatte ich mir leider anders vorgestellt.

 

Meinen Lesemonat habe ich dann gestern mit "Miroloi" von Karin Köhler, allerdings in elektronischer Form, beendet, das im vergangenen Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert war. Ich war sehr skeptisch, was diesen so sehr gehypten Roman angeht und bin nun umso erstaunter und überraschter und möchte ihn jedem und jeder sehr ans Herz legen.

 

In den nächsten Wochen wird sicher noch zu dem ein oder anderen Buch ein Rezension hier auf dem Blog erscheinen. Alle Bücher habe ich aber auch auf Instagram vorgestellt. Hier oder dort könnt ihr mir gerne eure Kommentare zu den Büchern hinterlassen.

 

Mehr Lesemonate findet ihr hier.

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