· 

Rezension: "Das schüchterne Organ" - Marius Harrer

Als Marius Harrer Kontakt zu mir aufgenommen hat und mich gefragt habe, ob ich seinen Debütroman lesen möchte und ich einen ersten Blick auf den Klappentext geworfen habe, war ich ehrlich gestanden etwas abgeschreckt.

Paruresis und pinkelnde Männer (im übrigen auch pinkelnde Frauen) gehören nicht zu meinem bevorzugten Lese-Themen-Gebiet. Dann habe ich aber ein bisschen recherchiert und bin bei Youtube auf einen kleinen vorgelesenen Textausschnitt gestoßen, der mich dann doch überzeugt hat das Buch zur Hand zu nehmen und zu lesen. Und siehe da, ich habe mich von Marius Harrer und seinem Erstling wunderbar unterhalten gefühlt.

 

Ruben, die Hauptfigur des Romans ist ein Paruretiker, was bedeutet, dass er Probleme beim urinieren hat. Sobald er sein Haus verlässt wird das Urinieren für ihn zu einer wahren Herausforderung. Er hat zahlreiche Strategien entwickelt, um sein Leiden zu verbergen. Es belastet ihn dennoch sehr. Darum ist er dankbar, als er in Michi57 einen Coach findet, der ihm via Internet und WhatsApp-Nachrichten Tipps und Strategien an die Hand gibt und ihm virtuell auf die Schulter klopft, wenn ein neues Etappenziel erreicht ist.

Die Paruresis ist letztendlich aber auch dafür verantwortlich, dass Ruben mit Rosa in Kontakt kommt. Rosa ist Balletttänzerin mit klaren politischen und gesellschaftlichen Ansichten, die die Diskussion und die Konfrontation nicht scheut. Etwas, das sowohl in Rubens Familie als auch in seinem Freundeskreis nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt.

 

Ruben hätte ich auch ohne Paruresis sympathisch gefunden und die Geschichte hätte für mich auch weit weniger Herausforderungen auf diesem Gebiet vertragen können. Die Seitenhiebe auf die aktuelle Debattenkultur, die eigentlich keine ist, weil es vielfach nur um die Bestätigung der eigenen Meinung statt um einen wahrhaften Diskurs geht, haben es mir aber sehr angetan! Ich habe oft gelacht, manchmal ist mir das Lachen im Hals stecken geblieben, ich habe einige Personen aus meinem eigenen Umfeld im Roman wiedergefunden und mich dabei großartig amüsiert.
Auch der zögerlichen Liebesgeschichte zwischen Ruben und Rosa bin ich gerne gefolgt, weil die beiden erfrischenderweise Partner auf gleicher Augenhöhe sind, was mir in vielen anderen Geschichten fehlt.

Am Ende bin ich daher froh und glücklich, den Roman nicht nach seinem Klappentext bewertet zu haben und werde sicher den nächsten Diskussionen mit anderen Augen begegnen. Wer locker-leichte Unterhaltung sucht wird in diesem modernen Roman sicher fündig werden.

 

Eine Leseprobe sowie einen Einblick in die Entstehung des Buches, für dessen Veröffentlichung Marius Harrer eigens den Seemannsgarn-Verlag gegründet hat, findet ihr auf der Internetseite des Verlags.

Von mir an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

 

Marius Harrer

"Das schüchterne Organ"

Seemannsgarn-Verlag

Taschenbuch, ISBN 978-3-982-18670-2, 11,99€

Kindle-Ausgabe, ASIN B087D3LBRS, 9,99€

 

Alle meine Rezensionen in alphabetischer Reihenfolge finden sich hier.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0